Studium
Meine persönliche Erfahrung aus dem Studium der Rechtswissenschaften
Disclaimer
Bevor der Bericht losgeht, sei eines gesagt: Das hier ist lediglich meine persönliche Erfahrung. Andere Studentinnen und Studenten machen während ihres Studiums andere Erfahrungen. Falls Du Dir das Jura-Studium überlegst, empfehle ich daher, dass Du auch noch andere Berichte liest oder andere Juristinnen und Juristen nach ihren Erfahrungen fragst.
Alle Universitäten der Schweiz bieten überdies Informationsveranstaltungen und Informationsbroschüren zu den Studiengängen an.
Jus, Jura, Rechtswissenschaften?
In der Schweiz nennen wir «Jura» auch «Jus» bzw. «Rechtswissenschaften». Im Endeffekt ist das gleiche Studium gemeint.
Vorteile, nachteile
Die Vorteile des Jus-Studiums auf einen Blick: Eine grosse Auswahl an späteren Tätigkeiten, attraktive Verdienstmöglichkeiten, Selbstverantwortung während des Studiums. Viele Vorlesungen bringen gedankliche Herausforderungen und halten Dich auf Trab. Der Nachteil ist, dass du im Gegensatz zu anderen Studiengängen am Ende des Studiums (das Jura-Studium dauert in der Schweiz in der Regel viereinhalb bis sechs Jahre) zwar Jurist, aber nicht Anwalt bist. Wenn du das Anwaltspatent anstrebst, solltest Du noch etwa 2-3 Jahre mehr einplanen. Ich habe aber viele kennengelernt, die nach dem Studium nicht nach dem Anwaltsberuf streben und eine andere, juristische Tätigkeit vorhaben.
Ein nicht zu unterschätzender Nachteil ist der Fachkräfteüberschuss. Ja, du hast richtig gelesen. Obwohl viele Branchen über Fachkräftemangel klagen, gehört die Rechtsbranche definitiv nicht dazu.
Bachelor of Law, master of law
Das Jurastudium in der Schweiz gliedert sich wie die meisten anderen Studiengänge auch in zwei Teile: Einen Bachelor und einen Master. Diese beiden Teile muss man nicht zwingend an derselben Universität belegen. Ich habe meinen Bachelor an der Universität St. Gallen (HSG) und meinen Master an der Universität Basel absolviert. Damit man den Master beginnen kann, muss man den Bachelor bestanden haben.
Schwieriges Studium
Häufig werden Jus-Studierende gefragt, ob das Studium sehr schwierig sei. Dazu trägt offenbar der Ruf des Studiums bei. Oft beginnen Leute mit dem Studium, die dann sehr schnell rausfinden, dass es doch nicht das richtige Studium für sie ist. Auf Tik Tok ging kürzlich ein Video viral, wo sich ein Jura-Student in der ersten (!) Vorlesung wieder exmatrikuliert hat (d.h. er hat das Studium nach genau einer Vorlesung abgebrochen).
Das Jus-Studium gehört sicher nicht zu jenen, in denen man die ganze Zeit ohne Stress verbringen kann. Meiner Meinung nach kommt es nicht auf angeborene Intelligenz an, sondern auf Interesse und Disziplin. Interesse, weil es schnell langweilig wird, wenn man immer etwas macht, was einen nicht interessiert. Und Disziplin, weil man sich sehr viel Stress ersparen kann, wenn man während des Semesters am Ball bleibt und nicht erst in den Prüfungen alles zum ersten Mal anschaut.
Ein Beispiel dazu aus meinem Bachelor an der HSG: Im Assessment-Jahr (dem ersten Jahr) finden jeweils im Januar und im Juni/Juli Prüfungen über den Stoff des ganzen Semesters statt. Die erste Prüfungsphase im Januar bietet Gelegenheit zu überlegen, ob man an der richtigen Adresse ist bzw. ob das Studium das ist, womit man später arbeiten möchte. Besteht man die Prüfungen nicht, kann es sein, dass man vielleicht in einem anderen Studiengang bzw. an einer anderen Universität besser aufgehoben wäre. Besteht man die Prüfungen im Winter, kommt das Frühjahrssemester. Dort hat man grössere Projekte während des Semesters, darf aber trotzdem nicht den Fokus auf die Prüfungen im Juni/Juli verlieren. Mit Disziplin ist das aber definitiv machbar. Das spezielle am Assessment-Jahr an der HSG ist, dass man nicht nur Jus, sondern auch BWL, VWL und Buchhaltung lernt. Wenn Du Dich für das Jura-Studium angemeldet hast, kann es sein (so ging es zumindest mir), dass dich manche anderen Fächer nicht ganz so interessieren. Trotzdem ist es wichtig, nicht erst vor den Prüfungen zum ersten Mal etwas dafür zu machen.
Wirtschaft und Recht an der kanti
Es gab einige, die bereits im Gymnasium bzw. an der Kanti Wirtschaft und Recht als Schwerpunkt hatten. Allerdings gehen die meisten, mich inklusive, ohne juristische Vorkenntnisse ins Studium. Ich hatte als Schwerpunktfach Italienisch, was vielleicht sogar hilfreicher war: Im Studium musst Du immer wieder Gerichtsurteile oder sogar Lehrbücher anderen Landessprachen lesen. Wenn du im Gymnasium in diesen Fremdsprachen Kenntnisse erwirbst oder sogar vertiefst, ist das meiner Meinung nach hilfreicher, als wenn Du Wirtschaft und Recht belegst. Aber eben, das ist nur meine Meinung.
Die richtige Universität für dich
Nicht unwichtig ist zudem die Wahl der Universität. Jede Universität setzt die Schwerpunkte etwas anders. In meinem Bachelor an der HSG habe ich beispielsweise eine sehr wirtschaftliche Ausrichtung gehabt. Gerade die nicht-juristischen Vorlesungen wie z.B. Buchhaltung und Rechnungslegung fand ich sehr spannend. Auch im Rest des Bachelors drückt die wirtschaftsfreundliche Philosophie der Universität durch und es ist sehr einfach, sich mit Studentinnen und Studenten anderer Studienfächer zu vernetzen. Auf der anderen Seite habe ich im Vergleich zu Studentinnen und Studenten anderer Universitäten weniger Zeit für juristische Grundlagenfächer gehabt, die an anderen Universitäten wirklich drei Jahre bis ins letzte Detail gelernt werden (z.B. Universität Basel). Dadurch muss ich für die Anwaltsprüfung etwas mehr Lernzeit einplanen, um das nochmals aufzuarbeiten.
Wenn Du noch gar nicht weisst, in welche Richtung du später gehen willst, und am liebsten einfach eine generelle Ausbildung anstrebst, rate ich tendenziell eher davon ab, für den Bachelor an die HSG zu gehen. Wenn Du hingegen einen Flair für Wirtschaft hast, klingt das in meinen Ohren nach einem Match.